Gastkommentar von Dieter Janecek MdB, Bündnis 90/Die Grünen

Sharing Economy und die Rolle des Leasing

Teilen – statt Besitzen

Das klingt gut – schon meine Kinder wissen, dass Teilen eine feine Sache ist. Das ist in der heutigen Zeit jedoch nicht nur nett und sozial, sondern wichtiger denn je. Mit einer wachsenden Weltbevölkerung und einem damit steigenden Ressourcenverbrauch müssen wir uns alle damit beschäftigen, wie wir nachhaltiger leben und wirtschaften können. Ganz konkret führt uns das jährlich der Welterschöpfungstag bzw. Erdüberlastungstag vor Augen: An diesem Tag sind alle Ressourcen verbraucht, die theoretisch innerhalb eines Jahres auch wieder hergestellt werden könnten. 1970 war das ein Tag im Dezember. Im vergangenen Jahr jedoch war es schon im August soweit. Danach lebten wir auf Pump, was unsere Lebensgrundlagen anging. Inzwischen wirtschaftet die Weltbevölkerung nach Angaben von Global Footprint, als hätte sie 1,7 Erden zur Verfügung. Nur auf Deutschland bezogen, ist es noch extremer: Wir hatten unsere Natur-Ressourcen für 2018 rechnerisch sogar schon am 2. Mai aufgebraucht.

Neben vielen weiteren Optionen, ressourcenschonender zu leben, ist die Idee des Teilens inzwischen keine Neuigkeit mehr. Der Nutzen zählt, weniger das Eigentum. Das gilt nicht nur für Privatpersonen, bei denen Sharing-Modelle immer mehr Anwendung finden, sondern auch für Unternehmen. Für die Wirtschaft ist dort das Leasing-Modell gegenüber punktuellen Sharing-Optionen schon lange eine sinnvolle Alternative zum Eigentumserwerb. Die Tendenz ist laut aktuellen Jahresberichts des Bundesverbandes Deutscher Leasing-Unternehmen steigend. Auch im privaten Sektor ist Leasing ein Dauerbrenner.

Ich freue mich, wenn auch die Leasing-Unternehmen ihre Möglichkeiten ausschöpfen, einen Beitrag hin zu einer gemeinwohlorientierten, ressourcenschonenden Art des Wirtschaftens zu leisten.

Dieter Janecek, Bundestagsabgeordneter Bündnis 90/Die Grünen

Aus ökologischer Sicht ist das auf den ersten Blick nicht unbedingt erheblich: Ersetzt zum Beispiel ein geliehenes Fahrzeug einfach nur das Eigentum, ergeben sich ja keine ressourcenschonenden Einsparungen. Es lohnt sich jedoch, genauer hinzusehen: Grundsätzlich nämlich hat die Leasing-Wirtschaft unter bestimmten Bedingungen ein starkes Interesse daran, die geliehenen mobilen oder immobilen Güter lange zu erhalten – der Gewinn ergibt sich ja aus der Nutzungsdauer. Wenn das Produkt zudem auch während der Nutzung im Eigentum des Leasing-Gebers verbleibt, macht es daneben Sinn, Rücknahme- und Recycling-Strukturen zur Wiederverwendung noch funktionsfähiger Komponenten der Leasing-Objekte zu schaffen.

Dieses ökologische Potenzial ist nach einer Analyse des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung aber nur dann gegeben, wenn vier Anforderungen erfüllt werden:

1.

Zunächst führt das Institut auf, dass die Kaufoption im Rahmen eines Leasing-Geschäfts eher kontraproduktiv sei: „Nur wenn das Produkt während des gesamten Produktzyklus im Verantwortungsbereich des Leasing-Gebers bleibt, hat dieser ein Interesse an einer hohen Lebens- und Nutzungsdauer.“ Ein Vertrag ohne Kaufoption sei deshalb die Voraussetzung für die Aufnahme in ein funktionierendes Rücknahme- und Recyclingsystem.

2.

Zweitens stellen die Autor*innen der Studie fest, dass vor allem direkte Leasing-Verträge, bei denen der Hersteller auch der Leasing-Geber ist, einen Anreiz in sich tragen, die Lebensdauer des Leasing-Objekts zu verlängern. Wie im aktuellen BDL-Jahresbericht 2019 aufgeführt ist, kann der Hersteller Informationen über den Nutzungsprozess, die er vor allem dann erhält, wenn er auch der Leasing-Geber ist, dazu verwenden, spätere Aufarbeitungs- und Verwertungsschritte zu verbessern. Vielleicht jedoch ist die Diskrepanz zwischen direkten und indirekten Leasing-Verträgen vor dem Hintergrund der digitalen Datenerhebung gar nicht mehr länger entscheidend. Hinsichtlich eines ressourcenschonenderen Umgangs mit den geleasten Produkten und Gütern wäre das ein bahnbrechender Schritt.

3.

Drittens sind zusätzliche Dienstleistungen wie Wartungs-, Aufrüstungs- und Reparaturleistungen nicht selbstverständlich, aber ganz entscheidend für die Langlebigkeit von Leasing-Objekten. Das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung geht einen Schritt darüber hinaus und führt als weiteres Beispiel „Schulungen zur ökologisch nachhaltigen Verwendung des Leasing-Objekts“ an, um den Ressourcenverbrauch in der Nutzungszeit zu minimieren.

4.

Viertens führt das Institut an, dass nur dann, wenn das Leasing-Objekt am Ende der Vertragslaufzeit noch nicht vollkommen refinanziert ist, ein Anreiz für den Leasing-Geber besteht, sich um eine längere Lebensdauer des Produktes zu bemühen, da dies den Veräußerungswert steigen lässt.

Wie der BDL-Jahresbericht 2019 zeigt, hat die Branche diese Herausforderungen wahrgenommen und nutzt die Chancen des digitalen Wandels auch für die eigenen Angebotsstrukturen. Gerade die nutzungsabhängigen Modelle (Pay-per-Use) in Kombination mit passgenauer Wartung und Reparatur sind ein wichtiger Ansatz, aber auch die Idee eines Mobilitätsvolumens statt der Bereitstellung eines individuellen Dienstwagens ist höchst innovativ und zeigt, dass die Leasing-Branche die Zeichen der Zeit erkannt hat.

Die Sharing- und Leasing-Wirtschaft hat in meinen Augen großes Potenzial, weil sie ökonomischen Nutzen (Liquiditätsvorteile) mit ökologischen Notwendigkeiten verbindet, die zukünftig eine immer größere Rolle in unserem Alltag spielen werden. Sie kann ressourcenschonendes Wirtschaften und nachhaltige Mobilität ermöglichen und kann neue Einstellungen zu Konsumgütern entstehen lassen. Genau das ist jetzt notwendig: Wir brauchen dringend neue Ideen, wie wir gleichzeitig unseren Wohlstand erhalten und Ressourcen einsparen können und innovative Geschäftsmodelle, die Teilen statt Besitzen ermöglichen. Die Ideen und Konzepte der solidarischen Wirtschaft müssen Einzug in die klassische Wirtschaftspolitik finden, Modelle des gemeinwohlorientierten Teilens politisch gestärkt und durch gezielte Maßnahmen mehr Freiräume erhalten. Ich freue mich, wenn auch die Leasing-Unternehmen ihre Möglichkeiten ausschöpfen, einen Beitrag hin zu einer gemeinwohlorientierten, ressourcenschonenden Art des Wirtschaftens zu leisten.

Dieter Janecek ist Mitglied des Bundestages seit 2013. Er ist Obmann des Ausschusses Digitale Agenda und ordentliches Mitglied der Enquete-Kommission "Künstliche Intelligenz" sowie des Ausschusses Wirtschaft und Energie. 2008 bis 2014 war Janecek Landesvorsitzender der Grünen in Bayern. Er vertritt den Wahlkreis München-West/Mitte.