Kreislaufwirtschaft und Leasing in Zeiten von Sharing Economy
Teilen statt Besitzen ist die neue Maxime. Leasing kann diese Entwicklung begünstigen. Bei entsprechender Ausgestaltung des Leasing-Verhältnisses kann gleichzeitig zu einer nachhaltigeren Entwicklung beigetragen werden.
Leihen und Mieten liegen im Trend, Kaufen und Besitzen hingegen werden weniger wichtig. Dies lässt sich seit einigen Jahren beobachten.
Was in den USA nicht zuletzt als Reaktion auf die Finanzkrise und die dadurch verringerte Kaufkraft begann, ist inzwischen zu einem wirtschaftlich relevanten Konsummodell herangewachsen. Das systematische Ausleihen und Vermieten untergenutzter Güter durch Privatpersonen wird „Sharing Economy“ genannt. Das wohl bekannteste Beispiel dafür ist Airbnb. Das Internet hat es möglich gemacht, Anbieter und Nutzer schnell zusammenzuführen und die Transaktionskosten tief zu halten. Einige so entstandene Geschäftsideen wurden zu großen Erfolgsgeschichten, die etablierte Märkte gründlich durcheinandergewirbelt haben. Dies hat auch andere dazu inspiriert, das klassische Transaktionsmodell zu überdenken und stattdessen auf Mieten, Ausleihen, Teilen und Tauschen unter Nutzung moderner Technologien zu setzen. In diesem Zusammenhang wird auch von „Collaborative Consumption“ gesprochen, also von kollaborativem Konsum.
Märkte der Zukunft
Der Trend zum Nutzen statt Besitzen und Eigentum ist ökonomisch bedeutsam. In der Schweiz nutzt bereits heute mindestens ein Viertel der Bevölkerung entsprechende Angebote, wobei die Nutzer mehrheitlich zwischen 15 und 44 Jahren alt sind. Das Marktvolumen wächst kontinuierlich und das Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft. PwC geht in einer Studie von einem Wachstum der Einkünfte aus kollaborativem Konsum in Schlüsselsektoren wie Beherbergung, Transport und Unterhaltung von 15 Milliarden US-Dollar in 2014 auf 335 Milliarden US-Dollar in 2025 aus. Andere schätzen das Marktpotenzial noch wesentlich höher ein.
Der finanzielle Anreiz, mit dem Ausleihen seiner Besitztümer ein Nebeneinkommen zu generieren, ist ein wichtiger Treiber des kollaborativen Konsums. Aus sozialer Sicht ist zudem der temporäre Zugang zu Gegenständen oder Dienstleistungen, die man sich sonst nicht leisten kann, eine wichtige Triebfeder. Viele Firmen haben im kollaborativen Konsum bereits die unternehmerische Chance erkannt, ihr Angebot weiterzuentwickeln und neue Kundensegmente zu erschliessen. Wer dies verpasst, dem droht wirtschaftliches Ungemach. Als Beispiel dafür sei die Automobilbranche genannt: Im Durchschnitt sind die Käufer von Neuwagen älter als früher. Unter 30-Jährige besitzen hingegen immer seltener ein eigenes Auto. Hier sind neue Ansätze gefragt.
Teilen schont die Ressourcen
Kollaborativer Konsum ist auch aus ökologischer Sicht interessant. Er kann sich positiv auf den Ressourcenverbrauch auswirken und damit einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung leisten. Wenn Produkte gemeinsam genutzt statt individuell angeschafft werden, braucht es insgesamt weniger davon. Dadurch werden Rohstoffe und Energie bei der Herstellung und dem Transport eingespart. Das klassische Beispiel in diesem Zusammenhang ist die Bohrmaschine: Ein Exemplar könnte gemeinsam genutzt werden und den Bedarf vieler Haushalte abdecken, statt in vielen Haushalten weitgehend ungenutzt herumzuliegen. Als Faustregel gilt, dass eine gemeinsame Nutzung eines Gegenstands durch Ausleihen oder Mieten aus ökologischer Sicht umso attraktiver ist, je mehr Ressourcen und Energie dessen Produktion in Anspruch nimmt. Wenn Hersteller in Zukunft mit der Nutzung ihrer Produkte statt deren Verkauf Geld verdienen, haben sie zudem einen viel größeren Anreiz, deren Qualität und Langlebigkeit zu verbessern. Es wirkt also auch der Wegwerfgesellschaft entgegen.
Leasing kann eine Schlüsselrolle spielen
Kollaborativer Konsum kann also eine wirksame Strategie sein, um sich von einer linearen Wirtschaftslogik (Produzieren – Konsumieren – Entsorgen) in Richtung einer Kreislaufwirtschaft zu orientieren. Aus diesem Grund interessiert sich auch sanu durabilitas, die Schweizerische Stiftung für nachhaltige Entwicklung, seit längerer Zeit für diesen Themenbereich. Wir haben uns insbesondere mit der Frage auseinandergesetzt, welche Geschäftsmodelle es braucht, um diesen Transformationsprozess zu unterstützen. Dabei sind wir unter anderem zu dem Schluss gekommen, dass Leasing dazu beitragen kann, traditionelle Geschäftsmodelle nachhaltiger zu gestalten oder neue, ressourcenschonendere Modelle einzuführen. Mit der Tendenz, Produkte oder Infrastruktur nicht zu besitzen, sondern für eine Dienstleistung zu bezahlen, werden flexible und auf das Geschäftsmodell abgestimmte Finanzierungsformen weiter an Bedeutung gewinnen.
Nutzungsrecht statt Eigentum schafft Anreize zur Ressourcenschonung
Die Herstellung, Verwendung und Entsorgung von Produkten ist eine wesentliche Quelle von Ressourcenverbrauch. Traditionell wird ein Produkt dem Konsumenten im Rahmen eines Kaufvertrags zu Eigentum übertragen. Dieser kann dann frei darüber entscheiden, wie bzw. wie lange er es nutzt und ob er es anschließend als Abfall entsorgt. Wird der Erwerb von Eigentum jedoch durch den Erwerb von Nutzungsrechten ersetzt, verändert sich die Interessenslage zugunsten der Ökologie und Nachhaltigkeit. Da der Hersteller oder Lieferant das Produkt in diesem Fall nach der vereinbarten Nutzungsdauer zurücknimmt, hat er ein viel größeres Interesse daran, sein Produkt so zu entwerfen, dass es eine möglichst lange Lebensdauer hat, reparaturfähig ist und wiederverwendet werden kann. Wird das Produkt danach durch einen weiteren Konsumenten genutzt, wirkt sich dies ebenfalls positiv auf die Ökobilanz aus.
Das Leasing-Verhältnis beruht auf dem Prinzip, dass Eigentumserwerb durch Erwerb von Nutzungsrechten an Produkten ersetzt wird. Unter den richtigen Rahmenbedingungen hat Leasing das Potenzial, in verschiedener Hinsicht zu einer nachhaltigen Wirtschaft beizutragen:
Bewusste Ausgestaltung des Leasing-Verhältnisses notwendig
Die Potenziale des Leasing für eine nachhaltige Wirtschaft lassen sich nicht bei jeder Art von Leasing aktivieren, sondern ergeben sich nur bei geeigneter Ausgestaltung des Leasing-Verhältnisses. Zentrale Bedingung ist, dass der Leasing-Geber ein eigenes Interesse an der Qualität, Erhaltung und Verwertung des Leasing-Objekts entwickelt. Dies ist der Fall, wenn der Leasing-Geber der Hersteller ist; es ist aber auch denkbar, dass ein von ihm unabhängiges Unternehmen sich in den erforderlichen Dienstleistungen engagiert und von deren Optimierung geleitet die Produkte einkauft.
Da der Hersteller oder ein qualifizierter Dienstleister die Leasing-Objekte nach der Nutzungsphase zurücknehmen müssen, sind sie daran interessiert, langlebige, materialsparende und reparaturfähige Produkte zu entwickeln bzw. einzukaufen. Aus demselben Grund sind sie auch daran interessiert, den Leasing-Nehmer zu schonender Nutzung anzuhalten, oder, um dies zu sichern, die Wartung und Instandhaltung sogar selbst zu übernehmen (Full-Service-Leasing). Sie sind schließlich auch daran interessiert, die Produkte zu verwerten, wenn diese wegen der schonenden Nutzung und/oder des Full-Service noch verwertbar geblieben sind.
Finanzierungsleasing eignet sich ebenfalls, setzt jedoch voraus, dass die Leasing-Geber ihre Aufgabe in der Erhaltung und Kreislaufführung des Produktes sehen und Rückführungsvereinbarungen mit den Händlern bzw. Herstellern treffen. In einem geeigneten Operating Leasing kann erreicht werden, dass wegen der gemeinsamen Nutzung durch viele Leasing-Nehmer weniger Produkte und damit weniger Material und damit letztlich Abfall benötigt werden, als wenn alle einzeln ein Produkt erwerben würden.
Es ist zu wünschen, dass die Leasing-Branche die Chance erkennt, die sich durch die neuen Formen des geteilten Konsums ergeben. Sie kann innovativen Geschäftsmodellen Vorschub leisten und gleichzeitig einen positiven Beitrag zur Erhaltung unserer Lebensgrundlagen leisten.
Daniel Ziegerer ist Geschäftsführer von sanu durabilitas – Schweizerische Stiftung für Nachhaltige Entwicklung. Er bringt über fünfzehn Jahre Berufserfahrung aus der Bundesverwaltung mit. In den vergangenen Jahren leitete Ziegerer das Schweizerische Kooperationsbüro in Indien und war verantwortlich für die Aktivitäten der Entwicklungszusammenarbeit im Bereich Klimawandel und Umwelt. Davor leitete er die Sektion Globales beim Bundesamt für Umwelt (BAFU).
Sanu durabilitas wurde 1989 als SANU durch ProNatura, WWF Schweiz und die Akademie der Naturwissenschaften Schweiz gegründet. Heute versteht sich die Stiftung als „eine wissenschaftliche Ideenwerkstatt, die wichtige Herausforderungen der nachhaltigen Entwicklung identifiziert, umsetzbare Lösungen dazu erarbeitet und kommuniziert.“ Neben gesellschaftlichem Wandel und Bodenverbrauch gehört die Kreislaufwirtschaft zu den Kernthemen der Stiftung.
Die Ausführungen von Daniel Ziegerer zum Leasing stützen sich auf eine für sanu durabilitas verfasste Studie der Professoren Sebastian Gröber und Gerd Winter von der Forschungsstelle für Europäisches Umweltrecht (FEU) der Universität Bremen.