Herr Ostermann, die Attraktivität von Leasing ist ungebrochen. Das Neugeschäft der Branche wächst Jahr für Jahr. Der Leasing-Anteil an den außenfinanzierten Investitionen beträgt über 50 Prozent. Angesichts dieser guten Ausgangssituation: Welche Themen werden die Branche und den BDL in den nächsten Jahren beschäftigen? Wo setzen Sie Schwerpunkte für die Verbandsarbeit?
Grundsätzlich geht es der Branche gut, das ist richtig. Doch der etwas differenziertere Blick zeigt, dass die Anzahl der Leasing-Gesellschaften in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen ist. Die Konsolidierung, die mit der Unterstellung unter die Finanzmarktaufsicht vor zehn Jahren eingesetzt hat, ist noch nicht abgeschlossen. Auf der wirtschaftlichen Seite hat die gute konjunkturelle Lage der vergangenen Jahre mit niedrigen Insolvenzquoten und entsprechend niedrigen Risiken der Branche geholfen. Das kompensiert etwas den Margendruck. Ein zentrales Ziel der Verbandsarbeit ist für mich, eine angemessene Regulierung für Leasing-Gesellschaften zu erreichen. Für die Branche ist darüber hinaus sicher der digitale Wandel ein Thema, das alle Leasing-Gesellschaften stark beschäftigt und weiter beschäftigen wird.
Der BDL betont, dass Leasing-Gesellschaften keine Banken sind und daher nicht nach Bankenstandards reguliert werden sollen. Für Leasing-Gesellschaften gilt bereits „KWG light“. Was stellen Sie sich unter einer angemessenen Regulierung vor?
Die Ausgangslage hat sich seit 2008 stark verändert. Ursprünglich als 'KWG light' konzipiert, sind die Anforderungen und Pflichten, die Leasing-Gesellschaften zu erfüllen haben, kontinuierlich gestiegen. Die Ursache liegt im Konzept der Aufsicht: Alle wesentlichen Regulierungsinitiativen richten sich zunächst an internationale Großbanken. Von diesen Großbanken werden die Standards abgeleitet und treffen viel zu häufig auch unsere mittelständische Leasing-Branche. Aber Leasing-Gesellschaften sind – wie gesagt – keine Banken: Wir sind kleiner als Banken, weniger komplex, haben ein anderes Geschäftsmodell und tragen ein viel geringeres Risiko. Unser Ziel ist es daher, die regulatorischen Anforderungen durch punktuelle Anpassungen nachhaltig auf ein angemessenes Niveau zurückzuführen. Dabei geht es nicht um Deregulierung; Finanzmarktstabilität und ein adäquates Risikomanagement sind auch in unserem Interesse.
Ein Schwerpunkt in der Verbandsarbeit war bisher die Umsetzung der Strategie „Leasing 2020“. Wir sind jetzt im Jahr 2019, wird es ein Update geben? Wie lautet Ihr Resümee?
Der Vorstand wird sich Ende des Jahres zu einer Klausurtagung treffen, ein Review durchführen und wo notwendig, die Verbandsstrategie den Veränderungen am Markt und der Mitgliederentwicklung anpassen. Ohne dieser Klausurtagung vorzugreifen, können wir feststellen, dass wesentliche Punkte der Strategie erfolgreich umgesetzt sind: So haben wir seit einigen Jahren ein eigenes Büro in Brüssel, um frühzeitig über die Entwicklungen in Europa informiert zu sein und proaktiv tätig werden zu können. Wir sind gut vernetzt und stärken neben der Mitgliedschaft im europäischen Dachverband Leaseurope die deutsche Leasing-Stimme in Brüssel. Auch die Vernetzung mit weiteren Verbänden der Realwirtschaft in Deutschland haben wir vorangetrieben. Mit unserer jüngsten Satzungsänderung haben wir die Möglichkeit geschaffen, dass Verbände assoziierte Mitglieder im BDL werden können. Nicht zuletzt sind wir in der Kommunikation mit der Aufsicht einen guten Schritt vorangekommen. Neben unseren regelmäßigen Jahresgesprächen wurde von der BaFin ein Gesprächskreis mit Vertreterinnen und Vertretern von Leasing- und Factoring-Unternehmen sowie der entsprechenden Verbände ins Leben gerufen, der sich zweimal im Jahr treffen soll, um über Regulierungsfragen und konkretisierende Auslegungen zu sprechen. Der erste Austausch findet in diesem Jahr statt.
Ein Thema, das die Leasing-Branche stark beschäftigt, ist die Digitalisierung. Wie sehen Sie die Branche hier aufgestellt?
Die Digitalisierung beschäftigt unsere Branche auf mehreren Ebenen: Einerseits werden die Prozesse in den eigenen Unternehmen digitalisiert, andererseits finanzieren die Leasing-Gesellschaften die Investitionen in digitale Projekte ihrer Kunden. Hier zeigt eine KfW-Studie, dass Digitalisierungsprojekte zwar stärker durch Cashflow finanziert werden als andere Investitionen, aber Leasing mit Abstand die häufigste Finanzierungsform nach dem Cashflow ist. Denn Leasing-Experten können aufgrund ihrer Expertise von Objekten und Märkten Investitionen realisieren, bei denen sich Banken zurückhalten. Hier gibt es erhebliches Wachstumspotenzial für Leasing. Und nicht zuletzt ist die Digitalisierung auch Treiber für neue Geschäftsmodelle. Leasing-Gesellschaften können die entstehenden Datenmengen zielgerichtet analysieren und daraus Serviceleistungen oder nutzungsorientierte Leasing-Modelle entwickeln. Letztlich wird die Grundidee des Leasing im digitalen Zeitalter, das durch Sharing-Konzepte wie zum Beispiel Cloud-Lösungen geprägt ist, neu aufgeladen. Denn sowohl beim Sharing als auch beim Leasing gilt: Der Nutzen zählt, nicht das Eigentum.